Credo
ZUR ETHIK UND ÄSTHETIK

Anarchie, Chaotik und Terror haben einigen historischen Niederschlag in der Kunst des 20. Jahrhunderts gefunden. Zweifellos sind die Tendenzen einer allzu musealen oder primitiven Kultur bzw. Unkultur nunmehr zu überwinden. Das ist möglich mit einer Musik, die neuartig ist und doch ihre natürlichen Grundlagen kennt. Diese hängen eng mit dem Phänomen der "Naturtöne" (harmonics) bzw. Naturtonreihen zusammen. Ein harmonikaler Zugang führt wieder zur genauen Bestimmung von Tönen und ihren Wechselbeziehungen, die in der "atonalen" Musik vernachlässigt wurden, aber nachweislich im menschlichen (Er-)Leben verankert sind. So ist Melodik und Harmonik von neuer Aussagekraft möglich, lassen sich rhythmische Formung und Form in analoge sinnvolle Bahnen lenken, was auch zur Überwindung von Problemen der Rezeption beitragen kann.

Musik soll nicht deprimieren oder den Geist lähmen, sondern anhebend und anregend wirken, also ein echter wesentlicher Überlebensfaktor sein.

Ungeachtet ihrer möglichen Tragweite sehe ich meine musikalische Mission darin, einer schwer belasteten und vielfach bedrohten Welt Gefühle von tatsächlicher, d.h. spiritueller Freiheit und Wahrheit zu vermitteln und so zur Verbesserung des allgemeinen Lebensniveaus beizutragen.

September 2001 / August 2004


GEMEINSAME GRUNDLAGEN EINER WELTMUSIK

Die Musik beruht – wie alles Leben überhaupt – auf Schwingungen. Deren Beziehungen erzeugen die Faszination des Lebens wie der Musik. Sie lassen sich immer in Zahlen ausdrücken, wie wir sie in den Rhythmen, den Klängen und Melodien finden, auch wenn sie in den Letzteren nicht so offen zutage treten. Hier gilt der Satz von Leibniz, "dass Musik eine verborgene Rechenübung der Seele sei".

Ihre universale Bedeutung erkannte man schon in unserem Altertum, als man der Musik den gleichen Rang wie der Astronomie, Arithmetik, Geometrie und sogar Psychologie zuwies im damaligen wissenschaftlichen Zugang, für den besonders der Name Pythagoras steht. Dessen Forschung basierte auf dem sogenannten Monochord: über einem länglichen Kasten war eine einzelne Saite gespannt. Indem man von ihr eine Hälfte, ein Drittel, ein Viertel, ein Fünftel usw. zum Klingen brachte, erhielt man gegenüber der ganzen Saite höhere Töne, die den Anfang einer Obertonreihe bildeten. Man sah, dass man höhere Töne durch die Verminderung der Länge der Saite erzielte. Wenn man die Länge von einem der gefundenen Teilstücke verdoppelte, verdreifachte usw., gab es tiefere Töne, und zwar den Beginn einer Untertonreihe. Es entsprach einem schon in früheren Kulturen geübten Brauch, solche Proportionen in ganzzahligem Fortschreiten herzustellen, was eine harmonische Wirkung ergab, wie es sich auch in der Architektur zeigte. Überhaupt herrschte die Überzeugung, dass die ganze Welt zahlenmäßig organisiert sei, wie Platon es in seinem späten Dialog TIMAIOS darlegte, wo er auf die besondere Bedeutung der einfachen ganzen Zahlen einschließlich ihrer Vielfachen und Potenzen hinwies.

Ich glaube, man kann dieses Empfinden nicht nur in unserer Musikgeschichte nachweisen, sondern auch in derjenigen anderer Völker, selbst wenn sie "primitiv" zu sein scheinen. Immer wieder treten einfache Verhältnisse bei den Rhythmen wie zumindest annäherungsweise den Tonhöhen zutage. In der Harmonik als der bedeutendsten Leistung der abendländischen Musik konnte ich eine wachsende Bedeutung der Primzahlen jenseits der Fünf feststellen. Jedenfalls scheint es mit den Zahlen verbundene Naturgesetze zu geben, die von einem Teil der heutigen Wissenschaft durchaus bestätigt werden.

Juni 2007/ Juli 2009


NEUE TONALITÄT

Neben der Nicht-Anerkennung von Naturgesetzen in der Musik gibt es seit langem Tendenzen der inneren Erneuerung, die mehr oder weniger bewusst insbesondere auf die Zahlenbeziehungen eingehen. Die Obertonreihe ist allgegenwärtig, sobald es sich um erkennbare Tonhöhen handelt. In der Folge ihrer Töne kommen Schwingungsbeziehungen ganzzahlig zum Ausdruck. 1:2:3:4:5 usw. heißt, dass jeder Ton um soviel mehr gegenüber dem Ausgangston in der Sekunde schwingt. Der Mensch kann das als harmonisch erfassen! Mit der Proportion 3:4:5 (die dem Seitenverhältnis des pythagoräischen Dreiecks entspricht) haben wir zum ersten Mal hier den Durdreiklang, der also alles andere als willkürlich ist und dieser einfachen Relation seine Beliebtheit verdankt. Weitere bekannte Klänge lassen sich aus der Obertonreihe ableiten, auch wenn sie von dem eher künstlichen zwölftönig temperierten System abweichen.

Wenn man nun diese einfache Zahlenreihe ab 1 nicht auf die Frequenzen, sondern auf die Wellenlängen bezieht, dann erhält man mit 3:4:5 einen Molldreiklang. Frequenz als zeitliches und Wellenlänge als räumliches Phänomen zeigen ihr Umkehrungsverhältnis, wie auch die Untertonreihe, die hier das Moll liefert, alle Intervalle der Obertonreihe enthält, die aber in die andere Richtung (abwärts statt aufwärts) gelenkt sind. Hier kommt der universale Gegensatz von Vervielfältigung und Teilung zum Ausdruck, wie man ihn im Rhythmus besser kennt; es zeigt sich aber auch Moll als das logische Gegenstück zum Dur und wird dadurch verständlich.

Jede neu eingeführte Primzahl in der Teiltonreihe (7, 11, 13, 17 usw.) bringt durch die Fülle der möglichen Beziehungen eine neue Dimension, eine Erweiterung des musikalischen Bewusstseins ins Spiel!

November 2011

Peter Michael Braun

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